Der Hallenser Stephan Baier unterrichtet Physik, Religion, Astronomie und Technik. Seit Mitte März ist seine Schule, das Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium in Merseburg, bedingt durch das Corona-Virus geschlossen. Trotzdem hält der 34-jährige Lehrer zu seinen Schülerinnen und Schülern Kontakt. Ein Besuch im YouTube-Klassenzimmer des Hauptsache Halle-Mitgliedes.

Sie haben vor 5 Wochen die „Schule im Netz“ gestartet. Wie läuft das Experiment?

Stephan Baier: Ich habe schnell gemerkt, dass ich in den kleinen Sessions ganz anders rangehen muss als im normalen Unterricht: Durch die kurzen Intervalle muss ich meinen Wortlaut und auch die Inhalte viel genauer überlegen. Da ich die Sessions als Livestream ins Netz schicke, darf auch nichts schief gehen: Die Technik darf nicht streiken und es dürfen auch keine Fehler in den Präsentationen stecken.

Die Themen reichen von Apostel-Geschichte bis Relativitätstheorie. Und das bringt Klickzahlen?

Stephan Baier: Ursprünglich habe ich die Videos nur für meine eigenen Schüler angedacht. Umso erstaunlicher ist, dass der Clip zur Relativitätstheorie inzwischen über 400 Klicks hat. Die Clips zu kosmischer Geschwindigkeit und Apostel-Geschichte sind schon bei weit über 500 angekommen. Ich habe noch nicht alle Videos öffentlich freigegeben, da sie zuerst bei meinen Schülern zum Einsatz kommen. Insofern werden in den nächsten Tagen ganz bestimmt noch einige Videos dazukommen.

Wie viel Zeit steckt in der Unterrichtsvorbereitung?

Stephan Baier: Für ein 15 bis 20 Minuten langes Video muss ich die inhaltliche Gestaltung und die technische Umsetzung planen, das nimmt wesentlich mehr Zeit in Anspruch. Ich versuche jeden Tag, etwa 2 bis 3 Videos zu streamen, da kommen schon bis zu 7 Stunden am Tag zusammen. Am Vortag überlege ich mir immer die Konzepte. Meistens starte ich früh mit der Erstellung der medialen Inhalte und ab 10 Uhr gehe ich dann auf Sendung. Ich versuche dabei auch die Zeiten im Stundenplan abzubilden, damit die Schüler ein bisschen zeitliche Struktur bekommen.

Und was sagen die  Schüler zum Format?

Stephan Baier: Ich bekomme viel Zuspruch. Es ist jetzt mal eine andere Form der Wissensvermittlung und über die medialen Wege erreiche ich natürlich auch eine ganze Menge Schüler. Am besten gefällt ihnen dabei, dass sie den Unterricht zurückspulen können und sich ihn bei Bedarf einfach noch einmal anschauen können. Das hilft denjenigen, die ihr Lerntempo individuell bestimmen wollen. Das ist sicherlich ein Vorteil gegenüber normalem Unterricht.

Ist Livestream das neue Miteinander?

Stephan Baier: Im Livestream bin ich nur virtuell, kann nicht auf den einzelnen Schüler eingehen. Es gibt keine soziale Interaktion und es bleibt bei der reinen Präsentation von Wissen. Schule ist aber heute weitaus mehr. Schule ist Sozialraum und Lebensraum – das kann keine virtuelle Plattform auch nur in Ansätzen ersetzen. Während ich in den Videos kleine Themen-Bausteine vorstelle und inhaltlich erkläre, können Kompetenzen – ob fachliche, methodische oder soziale –  auf lange Sicht nur in direkter Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern gefördert werden. Und mancher Schüler braucht zwischendurch auch einfach mal ein motivierendes oder tröstendes Wort. Das funktioniert nicht öffentlich über YouTube.

5 Fragen an… den Online-Lehrer
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