Mehr als 10 Jahre nach der Flutkatastrophe in der Stadt Halle (Saale) hat der Saalestammtisch die Mitglieder von Stadtrat und Verwaltung dazu aufgerufen, das Thema Hochwasserschutz weiter voranzutreiben. Das Positionspapier hat Saalestammtisch-Mitbegründer und Hauptsache Halle-Mitglied Jürgen Seilkopf den Mitgliedern des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt und Ordnung am 12. Oktober 2023 übergeben:

Halle an der Saale, 12. Oktober 2023

Positionspapier des Saalestammtisches

Sehr geehrte Ausschussmitglieder,

im Juni 2023 hat die Stadt Halle (Saale) auf dem Gimritzer Damm die Fertigstellung der sanierten Hochwasserschutzanlage gefeiert – 10 Jahre nach der Flutkatastrophe im Juni 2013. Gleichzeitig erklärten Vertreter der Stadt auf Nachfrage von Medienvertretern, dass es spezielle Schutzeinrichtungen für die Altstadt nicht geben werde. Da Hochwasserschutz primär in der Eigenverantwortung von Grundstücksbesitzern liege, gebe es keine Finanzierungsmöglichkeiten. Die Kosten für den Schutz der Altstadt würden sich auf rund 20 Millionen Euro belaufen; Platz für weitere Deiche sei nicht vorhanden. Damit könnten seitens der Stadt keine weiteren Maßnahmen eingeleitet werden.

Auch die Mitglieder des Saalestammtisches – ein Zusammenschluss von Flussanrainern, Unternehmen, Vereinen und Initiativen, die das Leben an und auf der Saale in der Stadt Halle (Saale) noch attraktiver gestalten wollen – haben sich mit aktuellen Fragen des Hochwasserschutzes in unserer Stadt beschäftigt. Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft „Hochwasserschutz Altstadt (Halle/Saale)“ wurden folgende Positionen und Fragestellungen erarbeitet, die wir Ihnen für Ihre weitere Beratung im Ausschuss zur Verfügung stellen wollen.

Aktuell gibt es keine Pläne, wie die Hochwasserschutzkonzeption der Stadt Halle (Saale) mit Leben gefüllt werden soll. Welche Strategie verfolgt die Stadtverwaltung nach dem Bau des Gimritzer Damms zur Altstadt und sowie den nördlich und südlich gelegenen Stadtteilen an der Saale, unter anderem Planena, Osendorf, Lettin und Trotha?

Die Stadtverwaltung verweist in Sachen Hochwasserschutz richtigerweise auch auf die Eigenverantwortung des Einzelnen. Doch wie verhält es sich, wenn ganze Ortsteile gefährdet sind? Hauseigentümer können keinen funktionierenden effektiven Schutz in der Fläche gewährleisten. Und: Hochwasser zerstört nicht nur Privateigentum, sondern auch Gemeinschaftseigentum.

Die Entscheidung über ein aktuelles, angepasstes Maßnahmepaket nach Fertigstellung des Gimritzer Damms obliegt den Mitgliedern des Stadtrates. Hat die Stadtverwaltung dem Stadtrat Schätzungen zur weiteren Optimierung des Hochwasserschutzes im Stadtgebiet vorgelegt? Und wenn ja, auf welcher Grundlage wurden die verlautbarten finanziellen Auswirkungen in Höhe von 20 Millionen Euro errechnet?

Wir bitten die Mitglieder des Ausschusses, sich mit folgenden Fragen und Maßnahmen zum Hochwasserschutz in unserer Stadt zu befassen und ggf. Prüfungen durch die Stadtverwaltung zu veranlassen.

1. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat die Klagen von zwei Grundstückseigentümern aus Halle (Saale) zum Neubau des Gimritzer Damms bestätigt und den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft als Vorhabenträger gerügt sowie verpflichtet, das Planfeststellungsverfahren zu ergänzen und Kläger zu entschädigen. Inwiefern wurde dieser Verpflichtung entsprochen?

2. Die Interessengemeinschaft „Hochwasserschutz Altstadt (Halle/Saale)“ hat zahlreiche Vorschläge erarbeitet. Wie geht die Stadt mit den Ideen der Initiative um?

3. Neuralgische Punkte sind der Glauchaer Platz und der Ratswerder. Welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz wurden für diesen zentralen Verkehrsknotenpunkt erarbeitet. Kommen flexible Hochwasserschutzsysteme zum Einsatz? Wenn ja, welche? Wie und von wem wird der Einsatz solcher Systeme aktuell trainiert?

4. Welche Pläne hat unsere Stadt, zu dem auch die Stadtwerke und städtische Einrichtungen gehören, zur Sicherung der Stromversorgung bei einem erneuten Hochwasser entwickelt? Ab welchem Pegelstand der Saale in Trotha erfolgen Stromabschaltungen?

5. In der Stadt Dessau-Roßlau ist im Mai 2015 eine Wasserwehrsatzung in Kraft getreten. Die Wasserwehr als eine ständige Einrichtung von freiwilligen Kräften verfügt über rund 400 Mitglieder, die bei einem Hochwasser ab der Alarmstufe 2 die Hochwasserschutzanlagen der Stadt Dessau-Roßlau kontrollieren. Dafür wurde mit Fördergeldern des Landes und der EU Ausrüstung angeschafft.

Im Oktober 2015 hat die Stadt Halle (Saale) Freiwillige gesucht, die sich als Deichläufer engagieren. Diese sollen bei Hochwasser die Deiche im Stadtgebiet in einem festgelegten Abschnitt kontrollieren. Kenntnisse über die Deiche und die fachgerechte Durchführung von Kontrollen sollten laut Stadt in regelmäßigen Schulungen vertieft und erweitert werden. Welche Schulungen hat die Untere Wasserbehörde der Stadt bis heute angeboten? Wie hat sie um Interessenten geworben?

6. Wie vereint die Stadt Halle (Saale) Naturschutz und Hochwasserschutz, etwa mit Blick auf die Peißnitzinsel, deren Nordspitze besonders geschützt ist?

7. Zur Erhöhung der Durchflussmengen im Mühlgraben als Nebenarm der Saale sollte im Bereich Neumühle/Mühlpforte die Öffnung weiterer Gerinne geprüft werden. Die Ergebnisse der Prüfung sind von der Stadt öffentlich und transparent nachvollziehbar zu machen.

Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung.

Die Mitglieder des Saalestammtisches

Saalestammtisch übergibt Positionspapier zum Hochwasserschutz an Umweltausschuss